Regionsjournal

Menschenbilder – Metamorphosen (Hannes Tröstler)

Hannes Tröstler hat als Wirt und früherer Winzer schon einige Jahre hinter sich gebracht. Was stets geblieben ist, ist die Affinität zu Kunst und Kultur. Als „Konsument“ genauso wie als „Schöpfer“. Ein Porträt über einen Unsteten.

Im ehemaligen Heurigenlokal in der Wolkersdorfer Johannesgasse 31 firmiert seit mehr als 20 Jahren das XL-Trö. Wer es nicht kennt: Es ist nicht bloß ein Lokal, sondern darin eröffnet sich eine eigene Welt. Diese spiegelt wohl auch die Persönlichkeit des Betreibers wider. Johannes Tröstler ist ja nicht nur Wirt, sondern auch passionierter Kunst- und Kulturliebhaber.

Johannes Tröstler, kurz Trö, wurde 1962 in Wolkersdorf geboren. Er wuchs in einer Winzerfamilie gemeinsam mit zwei Schwestern und drei Brüdern auf. Im elterlichen Weinbau und Heurigenbetrieb half er schon von Kindesbeinen an mit. Neben diversen Studien („eigentlich hört man nie auf zu studieren“) kellnerierte er im Mistelbacher „Harlekin“ und pflegte schon damals seine künstlerische Ader. In Schulzeiten entdeckte er u.a. das Zeichnen für sich. Schon bald gesellte sich das Interesse für Literatur hinzu. Mitte der 80er veröffentlichte er „Joe no Bock auf Egotrip“, bis heute schreibt er Lyrik und Prosa. In diversen Lesungen konnte man Auszüge aus diesem Schaffen hören. Auch seinen Kindern Dagmar (1993) und Johannes (1996) wurde die künstlerische Ader in die Wiege gelegt. Dagmar arbeitet im Theaterproduktionsbereich, Johannes ist Medien- und Sounddesigner.

Neben dem Heurigen führte Tröstler in den 90er Jahren u.a. den Heurigen im Museumsdorf Niedersulz und etablierte im ehemaligen Gasthaus Schwarzenberger das 124 (heute Stadtwirtshaus) am Wolkersdorfer Hauptplatz. Nach dem Ende des Heurigen- und Weinbaubetriebs wurde aus dem Heurigenlokal (das 1989 anstelle des alten, urigen Heurigens in der Johannesgasse errichtet wurde) das XL-Trö. Heute ist Tröstler stolz, gemeinsam mit Rudolf Wizls­perger (Café-Konditorei Wizlsperger) der längstdienende Wirt Wolkersdorfs zu sein.

Es kann schon passieren, dass aus den Lautsprechern des XL die Moldau erklingt. Das verwundert nicht, klassische Musik hat es ihm angetan. Genauso wie viele andere Musikgenres. Nur wenig bleibt ihm verborgen, nicht alles muss er mögen – generell ist sein Interesse an sämtlichen Kunstrichtungen ein zunächst unvoreingenommenes. Auch im Rahmen des Proust’schen Fragebogens (siehe nächste Seite) lässt sich dieses Profil gut ablesen.

Der Literatur-Aficionado Hannes Tröstler hat schon seit Jugendjahren stets eigene Wege gesucht, sich auszudrücken. Zeichnen und Malen waren von Schulzeiten an dabei – „immer, wenn ich keine Worte für Gedanken hatte. Wenn die Worte fehlen, dann drücken es Zeichnungen oft viel besser aus“, so Tröstler. „Und oft fehlen einem einfach die Worte.“

„Kunst ist immer auch ein Ausdruck seiner selbst“, meint Konstantin Wecker, dessen Live-Mitschnitt aus dem Theater im Park im Hintergrund läuft. Hannes Tröstler nickt. Frei nach Georg Kreisler unterstreicht er den Stellenwert von Kunst: „Wer bloße Unterhaltung sucht, der kann auch zum Pferderennen gehen!“ Kunst enthebt sich den Zwängen des Alltags und bietet vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten und Phantasie frei Haus.

Momentan schreibt Tröstler wieder an einer „Geschichte“, trotz vergangener Lockdowns aber „nicht mehr als jeden Tag ein oder zwei Sätze“. Kunst brauche ja auch Müßiggang und sei keine herzustellende „Ware“. Sprach’s und widmete sich wieder seinen Gästen…

Fragebogen

Der sogenannte Proust’sche Fragebogen (benannt nach dem Schriftsteller Marcel Proust) ist bestens dazu geeignet, um ein Porträt über den Literaten und Literaturliebhaber Hannes Tröstler zu beginnen. Dieser Fragebogen war ein beliebtes Gesellschaftsspiel in den Salons des Fin de Siécle (an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert). Wenngleich einige Fragen aus der Zeit gefallen scheinen (z.B. wurde auch nach militärischen Vorbildern oder den größten militärischen Erfolgen gefragt ), so geben einige Fragen doch Aufschluss über die Tiefgründe einer Persönlichkeit, regen zum Nachdenken an und sind weit mehr als bloß ein Eintrag in einem Poesie- bzw. Freundschaftsalbum.

Hier ein Auszug:

Wo möchtest du leben?
Jedesmal, wenn ich versucht habe, woanders zu leben, gelang es mir nicht. Wahrscheinlich will ich einfach nicht…

Welche Fehler entschuldigst du am ehesten?

Die, die man gar nicht als Fehler wahrnimmt. Oder die, die derjenige gar nicht intendiert.

Dein größter Fehler?

Die Definition von Fehler ist schwierig. Klar läuft manches im Leben schief oder nicht wie geplant – aber gleichzeitig eröffnen sich neue Wege. Anstatt in den Betrieb zu gehen, hätte ich ja auch Politiker werden können. Es ist aber gut so, wie es ist.


Welche Eigenschaften schätzt du bei einem Menschen am meisten?
Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Blender gibt es eh zu viele.

Deine Lieblingstugend(en)?
Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit

Dein Hauptcharakterzug?
Empathie, ich kann und will auf andere eingehen, von ihnen was mitnehmen und auch mitgeben.
Deine Lieblingsbeschäftigung(en)? Da sitzen, schauen und nicht denken müssen. Einfach sein…

Was ist für dich das vollkommene irdische Glück?

Eine große Aufgabe! Zum Beispiel jetzt den Nachlass zu verwalten (Vater Hans starb im Frühjahr 2021, Anm.), den Kellernachlass – da liegen noch Tausende Flaschen, einige große Jahrgänge aus den 90ern, die noch bestens trinkbar sind; auch am Dachboden gibt es viel aufzuarbeiten. Getrieben sein ist auch was Schönes. Ich werde die Metamorphose dieses Hauses weiterführen. Der Planungshorizont sind 10 Jahre, inklusive der Fertigstellung des Lese­theaters.

Wer oder was hättest du sein mögen?

Was ich bin! Wirt mit philosophischem Touch… Ich bin froh, dass ich die Erkenntnis hatte, dass wir so winzig und unwichtig sind: auf dem Planeten, im Universum, in der Geschichte.

Dein Traum vom Glück?
Das Jetzt! Der Moment ist das Glück. Was vorbei ist, ist vorbei…

Was wäre für dich das größte Unglück?
Wenn ich das Glück nicht mehr provozieren könnte…

Was möchtest du sein?
Eine Libelle (aber nur, weil sie grad vorbeigeflogen ist, Anm.). Ernsthaft: Ich möchte ich sein!

Dein(e) LieblingsschriftstellerInnen?
Friederike Mayröcker, Peter Turrini, Heinrich Böll, Peter Handke, H.C. Artmann, Ernst Jandl, Christian Morgenstern u.v.m. – Thomas Bernhard war mir zu fad.

Dein(e) LieblingsmalerIn?
Die „Mittelalten“ (i.S. von nicht zeitgenössisch, Anm.), ich merke mir keine Namen mehr.

Dein(e) LieblingskomponistIn?
Die alten Meister, aber ich bin immer für Neues aufgeschlossen. John Cage würde ich da auch einreihen.

Welche Reform bewunderst du am meisten?
Kunst und Kultur vorrangig oder zumindest gleichrangig mit „Wirtschaft“ zu betrachten. Allerdings warte ich auf diese Reform noch.

Welche natürliche Gabe möchtest du besitzen?
Gut riechen und schmecken können – das kann nicht hoch genug eingeschätzt werden!

Dein Motto?
Einfach „Jetzt“! Es zumindest jeden Tag ein paar Minuten schön zu haben und geistig in Bewegung zu bleiben.

Deine gegenwärtige Geistesverfassung?
Nachdenklich. An das Morgen denkend. Wie geht alles weiter? Diese Frage bewegt mich immer. Wer hätte vor 1989 daran denken können, was danach passierte?

Wie möchtest du sterben?
Stehend. Oder im Weinkeller. Oder gar nicht! Was weiß ich…? Ich möchte vielen in Erinnerung bleiben, dann stirbt man nie… Ich habe aber noch viele Jahre zu tun!






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