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Die „Menschenbilder“ gehören diesmal (im doppelten Wortsinn) Ferdinand Altmann: Zum 80. Geburtstag das etwas andere Porträt eines „militanten Weinviertlers“.
Viel wurde über ihn schon geschrieben – mindestens ebenso viel hat er selbst geschrieben. Vornehmlich über sein geliebtes Weinviertel. Als „Mister Kulturbund“ gibt er seit vielen Jahren die
„Kulturnachrichten aus dem Weinviertel“ heraus, hat mit anderen die (heute kann man sagen: legendäre) Schriftenreihe mitherausgegeben. Darin war ab den 80er Jahren viel kulturhistorisches,
heimatkundliches und Weinviertel-Wissen verpackt – als das Weinviertel noch für viele in Wien oder später der Landeshauptstadt St. Pölten nicht das „Viertel unter dem Manhartsberg“ war, sondern
das Viertel „über der Donau“. Darüber ließe sich mit Ferdinand Altmann gewiss gut diskutieren, ja auch streiten. Selbst hat er sich ja den Titel des „militanten Weinviertlers“ gegeben – obwohl
er strikter Pazifist ist. Er, der seit Jahrzehnten für das Weinviertel und die vielen Facetten seines – mit seinem legendären Schmetterlings-Logo ausgestatteten – Kultur- und Lebensraums
kämpft. Gegen Autobahn und Zerspargelung der Landschaft (durch Windräder) war es zwar ein sprichwörtlicher Kampf gegen Windmühlen, aber mit seinen Büchern (z.B. „A Gulasch und a Bier“ oder
zuletzt „Bildstöcke, Wegkreuze, Kapellen und andere Markierungen des Weinviertels“), den vielen Ausstellungen mit seinen Werken genauso wie als Organisator und Kurator und nicht zuletzt seiner
vehement-weinviertlerischen Präsenz hat er unschätzbar viel für unsere Region geleistet. Nicht umsonst ist er Kulturpreisträger des Landes und Träger des Silbernen Ehrenzeichens.
Doch woher kommt das alles? Gern beginnen seine biographischen (oder autobiographischen) Beiträge mit „Es war ein Freitag, der 13. …“, als er im Jahr 1943 in Wolfpassing geboren wurde. In
anderen Beiträgen wurde ja bereits hinlänglich auf biographische Details hingewiesen – nach Lehr- und Lernjahren bei Hermann Bauch und an der Graphischen, beruflich zunächst in der sogenannten
Gebrauchsgraphik zu Hause, dann auch schon als Fotokünstler; es folgten Jahre in Wolkersdorf (natürlich im Schloss!), Familiengründung und seine nunmehr jahrzehntelange „Sesshaftigkeit“ in
Ulrichskirchen. Er würde sofort einhaken! Sesshaft ist er nur im Weinviertel!
Dennoch war Ulrichskirchen der Ort seiner „Geburtstagsausstellung“, eines kleinen Querschnitts durch sein Schaffen, mit launigen Ansprachen und in wunderschönem Ambiente. Altmann selbst hat dem
vor zwei Jahren restaurierten und revitalisierten Meierhof eine Laudatio in den aktuellen „Kulturnachrichten aus dem Weinviertel“ gewidmet. Titel: Wie aus einem „Saustall“ ein Kulturzentrum
wird. In diesem Saustall ausgestellt waren auch die Werke, die in diesen „Menschenbildern“ abgebildet sind.
In diesem etwas anderen Porträt soll aber abseits seiner künstlerischen Biographie – die sich in abertausenden Bildern manifestierte – nachgefragt werden, was ihn denn so bewegt(e), wie sein
Steckbrief entlang des Proustschen Fragebogens aussieht. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass schon einmal (im Heft 3/22) dieser Fragebogen als Leitfaden herangezogen wurde. Das war im Porträt
mit Hannes Tröstler, dem im Vorjahr viel zu früh verstorbenen Künstler und Wirten – nicht von ungefähr kommt daher, dass Altmann und Tröstler seit vielen Jahren Weggefährten und Freunde waren,
der eine beim anderen Stammgast war.
Proust oder doch Prost?
Die Einstiegsfragen sind für Altmann rhetorische: Wo er leben möchte? Natürlich im Weinviertel – das ist für ihn auch das vollkommene irdische Glück. Das größte Unglück zur Zeit seien für ihn
Putin und Russland-Fans, diese „Fehler“ könne er ebenso wenig entschuldigen wie sämtlichen Rassismus, sämtliche Rechtstendenzen, Krieg, Präpotenz und Überheblichkeit; die Frage nach den
„Lieblingshelden der Geschichte“ ist daher für ihn eine gefährliche Zuschreibung, da oft „Verbrecher zu Helden stilisiert wurden und werden“. In jeder Epoche gäbe es verabscheuenswürdige
Gestalten.
Sein weißbärtiges, unverkennbares Antlitz (meist gehüllt in seine Weinviertelschmetterlings-T-Shirts) hellt sich daher zusehends auf, als es um die schönen Künste geht: Die Lieblingsgestalt der
Geschichte – wie kann es für einen Weinviertler anders sein – ist Dionysos, der Gott des Weines, der Freude, der Trauben, der Fruchtbarkeit, des Wahnsinns und der Ekstase aus der griechischen
Antike; sein Lieblingsautor Michael Ende, sein Lieblingslyriker – natürlich mit Weinviertelbezug – Theodor Kramer. Sein Lieblingsmaler: Pieter Brueghel. Ob der Ältere oder der Jüngere sei ihm
eigentlich egal. Überhaupt zähle für ihn oft das Werk ohne Autor – als passionierter Ö1-Hörer habe er viele (klassische) Lieblingskompositionen, ohne dass er über den Autor des Werks
nachdenke.
Dass er selbst als Autor in seiner fotografischen Laufbahn abertausende Bilder geschossen hat, sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt. In rund 20 Negativordnern harren diese einer
Musealisierung – und das ohne die wohl noch viel mehr digitalen Fotos. Die natürliche Gabe, die er stets besitzen wollte – und die auch als Lebensmotto dient: Schauen und erkennen! Das
fotografische Auge, den Sinn für das Schöne, Ästhetische; das Gespür für das Motiv genauso wie den etwas anderen Blick auf und für Personen und Situationen; das Dokumentarische genauso wie das
Spiel mit Licht und Schatten. So diente ihm in den 60ern und für die Schwarz-Weiß-Fotografie Barbara Pflaum („Wochenpresse“) als großes Vorbild. Apropos Lieblingsfrauen: „Meistens die Toten“,
so Altmann mit einem Augenzwinkern – zum Beispiel die „Drei Grazien“ zwischen Valtice und Lednice, die er im Bild verewigt hat wie soviele andere Kulturdenkmäler.
Die Anekdote, wonach er seiner Ex-Frau zur „Silbernen Scheidung“ gratuliert hat ist ebenso legendär wie sein späterer „Lebensabschnittspartner“. Peter, die ihm zugeflogene und wohl auch
zugedachte Dohle. Viele können sich noch erinnern an heitere Episoden, die auch in seinem Buch „Vom Leben, wenn man einen Vogel hat“ verewigt sind.
Die Gretchenfragen im Proustschen Fragebogen betreffen nicht die Faustsche Frage nach der Religion (das würde gewiss den Rahmen sprengen), sondern zum Beispiel: Was möchten Sie sein? Ich – „mit
80 kann man das schon sagen!“ – Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? „Ich bin nur auf den Haxen lahm!“ und: Wie möchten Sie sterben? „Ohne es vorher zu wissen!“
Ad multos annos, Ferdinand!